Montag, 14. Januar 2013

Mythos Begabung

Das wahre „Talent“ der Genies besteht in der Bereitschaft, mit großem Einsatz aktiv zu lernen. Über „göttliche Unzufriedenheit“, „Vertikalspannung“ und was uns sonst noch antreibt, unsere Potenziale zu nützen.
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Das wahre „Talent“ der Genies besteht in der Bereitschaft, mit großem Einsatz aktiv zu lernen. Auch wenn es nicht unbedingt so aussieht, als würden sie studieren, oder wenn sie – was Genies gerne tun – leugnen, üben zu müssen. Exzellenz ist das Resultat hochfliegender Ambitionen und frustrationstoleranter Anstrengungsbereitschaft. Selbst die staunenerregendsten geistigen und körperlichen Leistungen kommen durch angestrengtes Training zustande, das sich allerdings Aufgaben an der Grenze zur Überforderung stellen, stets neue, originelle Probleme setzen muss. Das hat einen gewissen Biss zur Voraussetzung. Martha Graham nannte das Grundmotiv „göttliche Unzufriedenheit“, Peter Sloterdijk spricht von „Vertikalspannung“, die uns zur Artistik treibt. Sie meinen die Ambition, sich nach etwas zu recken, es nicht zu erreichen, sich erneut zu recken, um auf höherem Niveau zu scheitern und so fort. Begeisterung spielt dabei eine große Rolle. Wir brauchen ja gute Gründe, damit wir uns das antun. Mit geeigneten Lebensperspektiven und Lernanlässen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es auch zu den nötigen Initialzündungen kommt.  
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Es gibt keine wissenschaftlich belastbare Theorie, geschweige denn empirische Nachweise einer Koppelung von Genen mit bestimmten höheren menschlichen Fähigkeiten. Ebenso wenig gibt es einen wissenschaftlich definierten Begriff von „Begabung“ oder „Hochbegabung“. Diesen Konzepten hängt etwas Metaphysisches an – oder sie folgen dem platten biologistischen Deutungsmuster: Alles, was wir uns in seinem Zustandekommen gerade nicht erklären können, muss genetisch determiniert sein.

Source: Die Presse

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